Mittwoch, 20. Juni 2012

Flügelschlag der Angst


Kriminalroman von Brigitte Tholen
Leseprobe: 
 
Sie schob die Maske über die Augen, um nicht erkannt zu werden, doch die Verkleidung bot ihr viel mehr als nur Schutz. Wie immer, wenn sie hier wartete, spürte sie die Erregung, und sie malte sich aus, wie der Unbekannte nach ihr greifen würde, ohne ein Wort zu sagen. Gierig. Die Lust bohrte sich fast schmerzhaft zwischen ihre Schenkel. Wo blieb er nur?
Die Nacht hatte die Hitze des Tages aufgesogen. Bis auf den Sommermantel, Dessous und Schuhen, trug sie nichts auf ihrer Haut.
Modriger Geruch aus den Tiefen des Sumpfs stieg ihr in die Nase. Für  sie war es der süße Duft der Erregung. Der Kick, den sie brauchte. Das Gefühl zu leben, abzutauchen, kleine Tode zu sterben.
Sie horchte in die Dunkelheit. Donnergrollen in der Ferne, die ersten Blitze. Der Boden unter den Schuhen federte und gab bei jedem Schritt nach. Außerhalb des Weges konnte sie schemenhaft  das Binsenkraut und die hohen, speerförmigen Gräser und erkennen. Auf einem Birkenstamm, der aussah wie ein hochgestreckter Arm, saß ein Steinadler. Bewegungslos. Bevor ihr Blick weiterglitt, schlug er mit den Flügeln und schwang sich in die Luft.
Er schwebte genau über ihrem Kopf und stieß Warnrufe aus.
Zum ersten Mal seit Beginn ihrer anonymen Treffen spürte sie ein Gefühl des Unbehagens. Einen Druck auf ihrer Brust. Am liebsten wäre sie umgekehrt, aber der Zwang der Lust war mächtiger.
Das dünne Licht des Mondes erhellte die Moorlandschaft kaum. Sie hörte Schritte, zwischen den Polstern der Binsen gluckerte, blubberte und gurgelte es.
Ein Mann kam näher. Der Wind bauschte seinen dunklen Umhang auf. Von seinem Gesicht erkannte sie lediglich die Kinnpartie, ein grobes, eckiges Kinn. Der Rest versteckte sich hinter der Maske.
Sie beschleunigte ihren Schritt, um vor ihm in der alten Mühle zu sein. Die schwarzen High Heels sackten in den morastigen Boden. Noch einmal drehte sie sich um, rutschte aus.  Bevor sie fallen konnte, war der Mann bei ihr. Arme hielten sie fest. Sie spürte seinen Atem, roch Parfüm. Sinnlichkeit, der Duft von Spirit of Stars. Wortlos glitt seine Hand unter ihren Mantel, spielte mit den Brustwarzen. Sie keuchte, schob den Umhang auseinander, um seine Haut zu spüren.
In ihrer Erregtheit drohte sie, erneut im Morast auszurutschen, aber er hielt sie sicher. Sie ergriff seinen Hintern, der sich hart und fest anfühlte, und begann, mit den Lippen auf seinem Hals und seiner Brust zu spielen.  Sie stöhnte laut, wollte nicht mehr warten.
Ungestüm hob sie den Kopf, stieß dabei gegen seine Maske, die sich verschob. Das Mondlicht beleuchtete sein Gesicht. Sie starrte ihn an und erkannte im gleichen Augenblick, dass sie einen Fehler begangen hatte.

Sie können das eBook hier kaufen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen