…
„Geheimnis
… ein schreckliches Geheimnis“, stammelte Ita.
Rasch
beugte sich Judinta zu der Verletzten, nahm einige der Tücher und
legte sie zusammengerollt unter deren Kopf. Mit dem letzten
Flickenlappen wischte sie behutsam das Blut vom Gesicht der Frau.
„Was meinst du damit?“
„Am
Grab … “, flüsterte die Todkranke bebend.
„Geister!?“
Die
Verletzte wimmerte. Mit brüchiger Stimme flüsterte sie: „Ich
hätte ihn nie verraten.“ Milchiger Speichel lief wie Webfäden aus
ihren Mundwinkeln.
„Wen?“
Ita
schien sie nicht zu hören. Ihr Gesicht war leichenblass, nur das
Blut, das aus ihrer Kopfwunde quoll, brachte Farbe hinein. Unruhig
bewegte sie ihren Kopf und griff immer wieder mit der Hand in die
Falten ihres Kleides. Judinta eilte zum Schrank, riss weiße
Flicklappen aus Leinen heraus. Dann holte sie ein Ei und trennte
Eiweiß vom Dotter. Eines der Tücher tauchte sie in die klebrige
Flüssigkeit. Sie kniete sich erneut neben Ita und legte das
präparierte Tuch auf die klaffende Wunde. Es würde wenigstens die
Blutung stoppen. Während sie vorsichtig zu Werke ging, schlug ihr
Herz so laut und schwer in ihren Ohren, wie die Hämmer der
Münzenmacher. Ein Arzt musste her. „Aelfric! Komm her!“, schrie
sie in ihrer Not.
Wieder
setzte Ita zu sprechen an.
„Schwer
… Rabe … war es.“
Die
Frau hustete und ihre Augen waren in Panik weit geöffnet. „Ich
will nicht sterben. Nicht bis …“
„Sei
ganz ruhig. Ich hole den Medicus.“
Die
Frau des Münzmachers hob leicht den Kopf, vor Schmerzen schrie sie
laut auf, ihre Hand krallte sich in Judintas Oberarm. „Bitte
bleib, ich muss …“ Ihre goldgesprenkelten Augäpfel rollten nach
oben und unten. Dann sank sie mit einem Stöhnen in Ohnmacht.
Als
stünde die Welt einen Augenblick still, saß Judinta wie erstarrt
da. Sie gab sich einen Ruck, ihre Finger tasteten über ihren Leib
und für Sekunden schloss sie die Augen. Dann stand sie auf, eilte zu
ihrem Mann.
„Aelfric!“,
schrie sie. Er schlief noch immer, die Arme weit über den Tisch
gestreckt. Wütend stellte sie sich hinter ihn und zog seinen Kopf an
den Haaren hoch. „Wach auf, du Säufer!“
Endlich
bewegte er sich, sah sie aus blutunterlaufenen Augen erbost an. „Was
zum Teufel ist los?“
„Hör
auf zu fluchen.“ Judinta bekreuzigte sich hastig. „Hilf mir.“ …
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